Jochberger Hummeln

Eine Laune der Natur?

Mutationen sind Veränderungen der Erbanlage durch äußere Einflüsse oder andere Faktoren. Um eine solche Mutation dürfte es sich bei der vor rund einhundertsiebzig Jahren erfolgten Veränderung der Erbanlagen bei Pinzgauer Rindern in Oberaurach bei Kitzbühel gehandelt haben. 

In einer Zeitungsmeldung des „Bothen“ im Raum Kitzbühel aus dem Jahr 1876 ist von einem Priester Namens Adolf Triendl überliefert: Die Existenz der so genannten „Jochberger Hummeln“ ist der Rettung eines genetisch bedingt hornlosen Pinzgauer Kalbes vor der Schlachtung zu verdanken. Die Bezeichnung „Jochberger Hummeln“ stammt von der Zugehörigkeit der Hallerwirtalm zur Gemeinde Jochberg, auf der Filzers Rinder heute noch in den Sommermonaten Ferien vom Stall machen und von der Tatsache, dass Hummeln keine Stacheln haben. 

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Österr. Post – Neue Sonderbriefmarkenserie „Seltene Nutztierrassen“:
Auracher Hallerwirt ist Ursprung der Jochberger Hummel
Für die Familie Stelzhammer-Filzer war es eine riesengroße Überraschung, als die Hallerwirtin Monika Stelzhammer von der Auflage der Sonderbriefmarke erfuhr, die heuer speziell ihrer hofeigenen Zuchtrasse, der Jochberger Hummel, gewidmet ist. Die Landwirtschaft des Hallerwirtes ist die Wiege dieser einzigartigen Zuchtrasse – eine hornlose Variante des Pinzgauer Rindes, die seit knapp 190 Jahren erfolgreich gezüchtet wird.
Wie Monika erzählt, ist die Hornlosigkeit eigentlich eine Laune der Natur, als am Bauernhof ihrer Vorfahren im Jahre 1834 das erste Original Pinzgauer Kalb ohne Hörner geboren wurde.
Initiative der Post AG
Im März übermittelte eine Agentur den Text über die seltene Nutztierrasse der Jochberger Hummel – Monika sollte diesen kontrollieren und für die Auflage der Sonderbriefmarke genehmigen. Angehängt war auch ein gemaltes Bild dieser Rinderrasse als Vorlage für die erscheinende Briefmarke. Die Künstlerin Kirsten Lubach hat die Idee zur Serie aufgegriffen und der Post einige Vorschläge von seltenen Nutztierrassen vorgelegt. Die Wahl fiel auf die Jochberger Hummeln, deren Ursprungshof im Herzen des idyllischen Aurach liegt. „Freut uns sehr, ist eine tolle Sache“, bestätigt Monika Stelzhammer.
Die neue Sonderbriefmarke hat einen Nennwert von 1 Euro und eine Auflage von 360.000 Stück in Kleinbögen (je 10 Stk.). Erhältlich in allen Postfilialen, unter onlineshop.post.at, beim Sammler-Service der Post (+43 577 67 – 95095; Mail: sammler-service@post.at)
Präsentation in Aurach
„Kurzfristig haben wir zur Präsentation der Sonderbriefmarke am Samstag, 10. Juli bei uns im Gasthof einen Frühschoppen mit dem „4-Klang“ organisiert. Neben dem Sonderpostamt haben auch der Hallerwirt und ein Innsbrucker Philatelisten-Club eine Extra-Marke herausgebracht, für alle Sondermarken wurde der begehrte Ersttagsstempel vergeben. Als Vertreterinnen der seltenen Nutztierrasse haben wir eine Kuh und ein Kälbchen von der Alm geholt – unsere Hummeln waren ein begehrtes Fotomotiv“, erzählt die Hallerwirtin.
185-jährige Zuchttradition
Monika und Jürgen mit ihrer Familie führen die Tradition der genetisch hornlosen Rinderzucht seit dem tragischen Tod ihres Vaters Franz Filzer im Oktober 2018 weiter.  Geschichtlich ist festgehalten, dass zum ursprünglichen Bauernhof im Jahre 1818 Peter Filzer eine Wirtstaverne angemeldet hat und seither Gastbetrieb ist. 1834 hat dann eine Genmutation, eine Laune der Natur, für das allererste Pinzgauer Kalb ohne Horn gesorgt. Damals war die Hornlosigkeit gar nicht so geschätzt, weil das Einspannen ins „Joch“ nicht möglich war. Monikas Vorfahren haben das Kalb aber als Besonderheit behalten und damit den Grundstein für die Zucht der Jochberger Hummeln gelegt. „Mein Urgroßvater und Großvater sind immer persönlich zum Schlachter mitgefahren, haben darauf geachtet, dass die hornlosen Kälber nicht an andere Bauern oder Züchter weiterverkauft wurden.“ So werden beim Hallerwirt seit Generationen hornlose Pinzgauer gemeinsam mit gehörnten Artgenossen gehalten. Wobei die Zucht der Jochberger Hummel angesichts der Gefahr von Inzucht immer eine große Herausforderung war.
Der Name stammt wahrscheinlich vom gleichnamigen Insekt – die Hummel ist wie eine Biene ohne Stachel, vergleichbar mit einer Kuh ohne Hörner. Und Jochberg deshalb, weil Aurach um 1830 zum Gemeindegebiet Jochberg gehörte und der Hallerwirt seit je her im Besitz von „Gräsern“ auf einer Jochberger Gemeinschaftsalm ist.
Pinzgauer Zuchtverband
In den 1980er Jahren wurde der Pinzgauer Rinderzuchtverband auf die genetisch Hornlosen aufmerksam. Damals wurden die Laufställe aktuell und die Verletzungsgefahr ohne Enthornung der Rinder groß war. Erst 1988 haben dann Monikas Eltern Franz und Moidi dem Pinzgauer Verband zwei Stiere für die Besamungsstation Klessheim in Salzburg verkauft. Bis heute werden reinrassige Jochberger Hummeln nur noch in wenigen Betrieben gezüchtet, hauptsächlich in Tirol und Salzburg, sie gelten als in ihrem Bestand gefährdet.
Eine flächendeckende Verbreitung der hornlosen Rinder hat es nie gegeben. „Bei uns stand nie so sehr die Milchleistung, sondern die Bewirtschaftung im Einklang mit der Natur, und die Erhaltung der besonderen Rasse im Vordergrund.  Natürlich haben sich auch Fachleute mit der genetischen Hornlosigkeit beschäftigt. Ein deutscher Professor hat sogar Embryonen nach Namibia verpflanzt“, erzählt Monika.
Der Betrieb ist für die Bio-ZZU-Heumilch (Zurück zum Ursprung) zertifiziert. Seit letztem Jahr allerdings leider nur mehr im Sommer, da im Anbindestall im Dorfkern der tägliche Auslauf im Winter nicht durchführbar ist. Die Landwirtschaft mit 17 Kühen und 20 Jungtieren wird von Christian, einem sehr engagierten Mitarbeiter aus Aurach, betreut. Bei der Heuarbeit im Sommer helfen alle Familienmitglieder und manchmal auch Mitarbeiter aus dem Gastbetrieb mit. „Als Mitglied des Vereins Arche Austria zur Erhaltung seltener Nutztierrassen führen wir die Familientradition gerne weiter. Die Pinzgauer sind einfach die schönsten Rinder“, schwärmt Monika. Pinzgauer Rinder sind extrem klimarobust, widerstandsfähig und dadurch ausgesprochen alptauglich. Ihre Langlebigkeit, Robustheit, gute Grundfutterverwertung und ruhiges Temperament zeichnen das Zweinutzungsrind (Milch, Fleisch) aus. Durch ein leicht melkendes Euter mit fester Aufhängung auch bestens für die Mutterkuhhaltung geeignet.
Förderung gefährdeter Rassen
Im Bezirk Kitzbühel gibt es rund 1480 landwirtschaftliche Betriebe, rund 170 Betriebe haben über die Agrarmarkt Austria (AMA) die Förderung für gefährdete bzw. seltene Nutztierrassen beantragt. Hans Bachler, Leiter der Bezirkslandwirtschaftskammer Kitzbühel, ergänzt: „Die Förderung der gefährdeten Nutztierrassen hat in unserem Bezirk vorrangig Bedeutung für die Halter und Züchter von Original Pinzgauer und Grauhvieh, Norikerpferde und herkömmliche Ziegenhalter. Die normalen Bergschafe werden nicht gefördert, sondern nur das Steinschaf.“
Als alte Rassen werden heute die Nutztiere unserer Vorfahren bezeichnet.